Deine Helden von damals: Olivier Caillas
"Unsere Aufstiegstruppe war ein eingeschworener Haufen"
Olivier Caillas marschierte mit Fortuna Düsseldorf von der Regional- in die zweite Bundesliga und ist der Stadt und dem Verein bis heute noch besonders verbunden. Im Anschluss wechselte der heute 39-Jährige nach Erfurt und spielte mit RWE lange um den Aufstieg.
Im Interview für unsere Reihe „Helden von damals“ spricht der 183-Malige Zweitliga-Kicker über die momentanen Erfolgsfaktoren bei der Fortuna, die Fehlentwicklung in Erfurt und über Ehrlichkeit im Profigeschäft.
Herr Caillas, Sie meinten einmal, die Stadt Düsseldorf hat es Ihnen besonders angetan. Wieso passt die rheinländische Mentalität so gut zu Ihnen?
Olivier Caillas: „Ich bin eine Frohnatur, sehr ehrlich und direkt und habe deswegen meine Leidenschaft für den Verein entdeckt. In Düsseldorf herrschte ein gutes Miteinander, das Sportliche und die Lebensart gingen quasi Hand in Hand. Diesen Topf habe ich in gewisser Weise gesucht, um meinen Deckel drauf zu legen.“
Mit der Fortuna schafften Sie einst den Durchmarsch von der Regional- in die zweite Bundesliga. Zu welchen Ihrer ehemaligen Mitstreiter haben Sie noch Kontakt?
Caillas: „Zu einigen, am häufigsten jedoch zu Axel Lawarée. Mit ihm telefoniere ich wöchentlich, fast schon täglich. Unsere damalige Aufstiegs-Truppe war ein eingeschworener Haufen, viele der Jungs wohnen auch heute noch in der Umgebung. Daher kommt es, dass wir noch relativ viel Kontakt haben, was im Fußball heutzutage ja eher unüblich ist.“
Das läuft heutzutage sehr nüchtern (über die Vertragsgespräche mit der Fortuna)
2010 wurde Ihr Vertrag nicht verlängert. Wie wurde Ihnen die Entscheidung mitgeteilt?
Caillas: „Das läuft heutzutage sehr nüchtern. Es waren auf jeden Fall faire Gespräche. Wenn man es aus privater Sicht sieht, ist es schade, aus sportlicher Sicht muss man es aber akzeptieren. Wir sind schließlich alle Profis. Ich ging jedenfalls ohne Groll auf den Verein.“
Lumpi Lambertz ereilte 2015 das gleiche Schicksal. Wie wichtig sind denn solche Identifikationsfiguren eigentlich im Mannschaftsgefüge?
Caillas: „Für das Mannschaftsgefüge nicht unbedingt, eher für die Außendarstellung des Vereins. Lumpi hat bei Fortuna Einmaliges erreicht. Man kann sich trennen, das ist nun mal so im Fußball. Allerdings hat die Art und Weise nicht gepasst.
Ich hätte mir gewünscht, dass das mit mehr Stil abgelaufen wäre. Ein, zwei Jahre später wurde das erkannt und korrigiert. Es bleibt aber nach wie vor ein fader Beigeschmack.“
Erkenne Parallelen zu den Aufstiegssaisons 2009 und 2012 (über die momentane Situation der Fortuna)
Die Fortuna steht momentan gut da. Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren bei den Düsseldorfern?
Caillas: „Das hängt mit der Kaderzusammenstellung vom Chefscout Uwe Klein und Robert Palikuca zusammen. Das sind Leute, die den Verein in- und auswendig kennen. Solche Leute braucht man, um etwas aufzubauen.
Sie haben Ahnung und haben in der Kürze der Zeit, in denen Sie in der Verantwortung stehen, einen geilen Job gemacht. Das spiegelt sich jetzt in den Ergebnissen wider und diesen Schuh kann sich sonst keiner anziehen.“
Friedhelm Funkel rotiert kräftig. Wie schwierig ist es für die Spieler, wenn sie sich nie sicher sein können, auf dem Platz zu stehen?
Caillas: „Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Jeder geht an seine Leistungsgrenze, auch im Training. Es ist jedoch auch wichtig, dass man in der Mannschaft gute Charaktere gefunden hat. Die Mischung aus Lautsprechern und eher ruhigeren Spielern scheint zu stimmen.
Ich kann Parallelen zu den Aufstiegssaisons 2009 und 2012 erkennen. Die Saison ist jedoch noch lang, da wird noch viel Wasser den Rhein runterfließen. Für die Fortuna ist es nach den letzten Jahren erstmal wichtig, sich wieder nach oben zu orientieren.“
Von Düsseldorf ging es für Sie nach Erfurt. Wie unterscheidet sich der Fußball im Osten von dem im Rest der Republik?
Caillas: „Im Osten ist die Ausbildung der jungen Fußballer sehr akkurat und zielstrebig. Man achtet sehr stark auf Beidfüßigkeit und vermittelt Werte wie Freundschaft und Zusammenhalt, was den jungen Spielern nicht nur auf dem Platz sondern auch außerhalb hilft.“
In der Saison 2011/12 landeten Sie mit RWE auf Rang 5, so gut war Erfurt seitdem nicht mehr. Momentan ist Erfurt letzter. Das Ergebnis einer jahrelangen Fehlentwicklung?
Caillas: „Die Fans sehnen sich nach Zweitliga-Fußball, letztendlich gibt es aber mit Rolf Rombach nur einen Geldgeber. Um es deutlich zu sagen: Wenn er nicht da wäre, würde RWE nicht in dieser Form existieren. Was er an Leidenschaft, Freizeit und Geld in den Verein steckt, da muss man den Hut davor ziehen.
Sich Woche für Woche beschimpfen zu lassen, weil die Mannschaft in den letzten Jahren immer gegen den Abstieg gespielt hat – da wundert es mich doch, dass er sich das noch antut. Der Mann steht zu seiner Verantwortung und wird den Verein nie im Stich lassen.
Eine Fehlentwicklung ist dennoch zu sehen. Im Laufe der Jahre verlor Erfurt viele Führungsspieler, die nicht ersetzt werden konnten. Das war vielleicht auch gar nicht gewollt, sie haben mehr auf junge Spieler gesetzt. Allerdings kann ich nicht nur mit Indianern auf dem Platz bestehen, ich brauche auch Häuptlinge. Die momentane Situation ist umso trauriger, denn Erfurt ist eine fußballbegeisterte Stadt.“
Kann nicht nur mit Indianern auf dem Platz bestehen (über das Fehlen von Führungsspielern bei RWE)
Sie hatten in Ihrer Karriere mit etwa Thomas Kleine oder Heiko Westermann stets robuste Verteidiger im Team. Von wem gab es denn im Training immer am meisten auf die Socken?
Caillas: „Das sind schon die zwei Richtigen (lacht). Ich hatte aber auch mal einen Mitspieler, der hieß Sven Boy (Anm. d. Red: Caillas´ Mitspieler bei Greuther Fürth). Das war der härteste. Er war immer hart an der Grenze und als Offensivspieler wussten wir, der kann dich jederzeit über die Rasierklinge springen lassen. Da musste man dann entweder schneller sein oder auf die andere Seite wechseln, wo er nicht spielte.“
Momentan betreuen Sie für Nike das Fußballgeschäft in NRW und Niedersachsen. Was ist dort Ihre Aufgabe?
Caillas: „Ich kümmere mich um etwa 18 Händler, die sich auf Fußball spezialisiert haben sowie um vier Vereine: Bochum, Münster, Meppen und den Wuppertaler SV. Da muss man da sein. Bei den Klubs setzen wir in Deutschland speziell auf Traditionsvereine. Die Symbiose aus Nike und diesen Klubs vermittle ich und das kommt auch sehr gut an.“
Anecken ist nicht erwünscht (über Ehrlichkeit im Profifußball)
Auch als Coach sind Sie tätig, aktuell gehören Sie zum Trainerteam der A-Jugend des SV Lohausen. Wie lautet Ihre Ausbildungsphilosophie?
Caillas: „Ich bin eher eine Art Teammanager. Wir versuchen so viele Spieler wie möglich aus der A-Jugend in die erste Mannschaft zu integrieren. Unsere Spieler sollen sich mit dem Verein identifizieren und vor allem Spaß haben. Wir wollen den Jugendlichen eine Perspektive aufzeigen, und ihnen Werte wie Zusammenhalt vermitteln. Der Fun- steht also über dem Leistungsgedanken.“
Was würde der heutige Trainer Caillas seinem 20-Jahre-jüngeren Ich mit auf den Weg geben?
Caillas: „Ich würde mir raten, öfters auf die Zunge zu beißen. Ich bin bis heute sehr ehrlich und direkt. Das ist für mich eine Tugend, da man seinem Gegenüber immer die Möglichkeiten geben sollte, sich zu der Sache zu äußern.
Im Fußball muss man aber in gewissen Situation den Mund halten. Heute haben Spieler, die eine eigene Meinung haben, leider nur noch wenig Chancen berücksichtigt zu werden. Anecken ist nicht erwünscht.“
Herr Caillas, vielen Dank für das Interview!
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