Deine Helden von damals: Jörg Böhme
"Dschungelcamp? So viel Geld hat kein Sender"
Jörg Böhme personifiziert einen Teil deutscher Fußballgeschichte. 232 Mal stand er in der Bundesliga auf dem Platz, den Großteil der Spiele bestritt er für Schalke. Mit den Knappen holte er zweimal den DFB-Pokal, bei der WM 2002 wurde er mit der Nationalmannschaft Vizeweltmeister.
Im Interview für unsere Reihe „Helden von damals“ spricht er über die Bezeichnung „positiv Verrückter“, den Goretzka-Wechsel nach München und wieso eine Anfrage für´s Dschungelcamp bei ihm scheitern würde.
Denkt man an Jörg Böhme, fällt einem unweigerlich die Charakterisierung „positiv Verrückter“ ein. Würden Sie sich rückblickend selbst auch so beschreiben?
Jörg Böhme: „Das zog sich ja wie so ein roter Faden durch meine Karriere. Das haben nicht nur die Schalker wie Rudi Assauer und Huub Stevens, sondern mehrere Trainer gesagt. Ich habe das immer positiv bewertet.
Ich habe meinen Job geliebt und das hat man glaube ich auf dem Platz gesehen. Bei den Vereinen, wo ich gespielt habe, hatte ich immer eine sehr gute Bindung zu den Fans.“
Sie galten als ein Spieler, der auch mal den Mund aufmacht. Würden Sie heute Ihrem jüngeren Ich raten, auch mal die Klappe zu halten?
Böhme: „Ich habe nur Dinge angesprochen, die nicht im Sinne unserer Mannschaft beziehungsweise des Erfolgs waren. Wenn wir als Team versagt haben oder eben bestimmte Dinge angesprochen werden mussten. Ansonsten war ich ja eher ein ruhiger Vertreter.“
Klar ist man enttäuscht, wenn man den verliert. (über Pfiffe gegen Leon Goretzka)
Sie waren früher auf Schalke Publikumsliebling, die heutigen wechseln nach München. Leon Goretzka wurde dafür zuletzt gnadenlos ausgepfiffen. Können Sie die Fans verstehen?
Böhme: „Teils, teils. Goretzka kommt aus dem Ruhrgebiet, die Identifikation mit dem Verein, mit dem Umfeld war hoch. Klar ist man da enttäuscht, wenn man den verliert. Dass aus den Fangruppierungen dann der ein oder andere Anhänger sauer ist, weil er, wie so viele in Deutschland, mit den Bayern nichts anfangen kann, ist logisch.
Ob das die Art und Weise rechtfertigt, wie sie es machen, darüber kann man diskutieren. Leon ist einer, der sich mit dem Verein identifiziert und das wird bis zum Sommer mit Sicherheit so bleiben.“
Können Sie denn umgekehrt Goretzkas Schritt nach München verstehen?
Böhme: „Für den Spieler ist der Wechsel legitim. Er hat die Chance, in München Titel zu gewinnen, sein europäisches Ansehen wesentlich zu steigern. Das sind genau die Faktoren, von denen ich denke, dass sie letztendlich ausschlaggebend für den Wechsel nach München waren.“
Spieler wie Max Meyer muss Schalke jetzt halten. (über S04-Eigengewächse)
Clemens Tönnies reagierte zuletzt sehr emotional. Geben Sie ihm Recht oder fanden Sie die Aussagen überzogen?
Böhme: „Clemens lebt diesen Verein wie kein anderer. Ich denke, er hat das aus einer gewissen Emotion heraus gesagt, aber ich glaube nicht, dass er das so gemeint hat. Er weiß ja selbst, welchen hohen sportlichen Stellenwert Goretzka für Schalke hat.
Auf so einen Spieler, gerade jetzt in dieser Saison, wo es endlich mal wieder richtig positiv läuft, kann Schalke einfach nicht verzichten. Wer Leon kennt, der weiß, dass er bis zum Saisonende alles für Königsblau geben wird.“
Kann Schalke überhaupt auf lange Sicht wieder um die Meisterschaft mitspielen, wenn jährlich Leistungsträger den Verein verlassen?
Böhme: „Das Problem besteht ja nicht nur auf Schalke. In Gladbach und Leverkusen zum Beispiel ist das ja das gleiche. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass der Leon Bailey noch drei, vier Jahre in Leverkusen spielt. Bayern hat die finanziellen Möglichkeiten und holt punktuell die Spieler dazu, die sie brauchen.
Das ist schon strukturiert und hat nichts damit zu tun, einen anderen Verein zu schwächen. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge machen da seit Jahrzehnten einen super Job. Für Schalke wird es darum gehen, junge Spieler über das Nachwuchsleistungszentrum heranzuführen, wie Sané, Neuer oder Özil. Leon geht jetzt ablösefrei, das ist bitter. Aber andere Spieler wie Max Meyer muss Schalke jetzt halten.“
Nach Ihrer aktiven Karriere stiegen Sie ins Trainergeschäft ein. Was machen Sie momentan?
Böhme: „Bis zuletzt war ich ja Co-Trainer bei der U23 von Schalke, momentan bin ich ohne Verein. Ich bin zum zweiten Mal Vater geworden und habe meine Frau zuhause unterstützt. Ich muss aber auch sagen: Es wird Zeit, dass es wieder losgeht. Ich ziehe den Hut vor jeder Hausfrau und Mutter. Was die leisten – mein lieber Scholli. Ich nehme alles zurück, was ich früher darüber vielleicht mal gesagt habe (lacht).“
Ich ziehe den Hut vor jeder Hausfrau und Mutter. (über seine Arbeitswoche mit zwei kleinen Kindern)
Gibt es schon einen konkreten Zeitplan, wann Sie wieder einsteigen?
Böhme: „Ich bin viel unterwegs, schaue mir von der Bundes- bis zur Regionalliga sehr viele Spiele an. Im letzten Jahr waren es gefühlt 150 Partien, auch mit der A- und B-Jugend-Bundesliga. Für mich ist das auch ein Ausgleich zu meiner ‚Arbeitswoche‘ mit zwei kleinen Kindern. Ich warte einfach, bis das ein oder andere interessante Angebot kommt. Ob als Cheftrainer, als Co-Trainer, im Nachwuchsbereich oder als Scout – da bin ich für alles offen.“
Einige Ihrer Ex-Kollegen gehen ins Dschungelcamp. Wurden Sie auch schonmal gefragt?
Böhme: „Nein, ich glaube da traut sich keiner anzurufen (lacht). So viel Geld hat der Sender nicht, dass ich da mitmachen würde.“
Vielen Dank für das Interview, Herr Böhme!
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